taz Berlin lokal Nr. 7191 vom 25.10.2003
Löschen, nicht zähmen
Die Filmemacherin Stefanie Jordan
hat für ihre Arbeit bereits den Silbernen Bären bekommen.
Ihre Dokumentation über Feuerwehrfrauen zeigt die Uneindeutigkeit
von Geschlechterrollen
von KATRIN KRUSE
Die Verbindung von Zeichentrick und dokumentarischem
Realfilm, das ist für die Stefanie Jordan die optimale filmische
Form. "Mich interessiert subjektive Wahrnehmung", sagt sie,
"und mit trickfilmischen Bildern kann ich Gefühle beschreiben.
Der Realfilm kann das nicht." Dennoch hat die in Berlin lebende
Filmemacherin mit "Some Real Heat" nun ihre erste Dokumentation
über sechs Feuerwehrfrauen in San Francisco gedreht.
1965 in Mannheim geboren, wollte Stefanie Jordan ursprünglich
Kunst und visuelle Kommunikation studieren. Stattdessen begann sie
mit Altamerikanistik, studierte eine Weile und ist dann nach Mexiko
und in die USA gereist, wo sie fünf Jahre gelebt hat. Hier hat
sie mit dem Filmen begonnen: erst mit experimentellen Einzelbildern
auf Super Acht, dann mit ersten Trickfilmversuchen, für die sie
Zeichnungen auf Transparentpapier über das Apartment verstreute
- als habe sie den Trickfilm wie das Rad neu erfunden, sagt Stefanie
Jordan. Sie hat Filmklassen belegt am San Francisco Art Institute,
und dann 1992 an der Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg
Trickfilm studiert. Dort entstand der Animationsfilm "Late at
night" (zusammen mit Stefanie Saghri und Claudia Zoller), der
bei den Internationalen Filmfestspielen mit dem Silbernen Bären
ausgezeichnet wurde. Seither hat Stefanie Jordan weiter Trickfilme
gedreht, Auftragsarbeiten gemacht und als Kamerafrau für andere
Filmemacherinnen gearbeitet.
Die Idee, selbst einen Dokumentarfilm zu drehen, entstand
durch Allison, eine der in "Some Real Heat" porträtierten
Frauen. Jordan hat deren Karriereweg seit der Anfangszeit bei der
Feuerwehr verfolgt. Man müsste einen Film darüber machen,
hat sie damals gesagt, aber jedes "Warum nicht du?" damit
abgewehrt, dass sie Trickfilmerin sei. Schließlich hat sie den
Film doch gemacht, als Regisseurin, Produzentin und zur Hälfte
als Kamerafrau. Vor allem, sagt die Filmemacherin, sei es ihr in "Some
Real Heat" darum gegangen, gängige Bilder zu brechen. Die
Vorstellung etwa, Frauen bei der Feuerwehr, das seien notwendig lesbische,
breitschultrige Frauen. Die sechs Frauenwehrfrauen im Film sind also
sehr unterschiedlich, in Bezug auf Herkunft, Bildungshintergrund und
ihre Motive; die ranghöchste Offizierin - und diejenige, die
am längsten dabei ist - hat wiederum die zarteste Statur.
"Es war mir wichtig, nicht eine neue Aussage aufzustellen,
sondern erst mal dieses Denken zu überführen", erzählt
Jordan beim Gespräch in einem Kreuzberger Café. Dieses
Denken, das "immer schon zu wissen glaubt", damit versucht
Jordan zu spielen. Es durchzieht den Film als Folie, ist präsent
als Negativ, wird immer dann sichtbar, wenn sich das scheinbar Offensichtliche
als Missverständnis erweist, wenn Jordan den Moment zwischen
Suggestion und Auflaufen der Erwartung dehnt. Wenn etwa die kräftige
Heather, die zuvor mit Begeisterung von der Arbeit mit der Kettensäge
gesprochen hat, von ihrem Partner spricht: "My lover", sagt
sie, und für einen Moment bleibt die Frage, he or she?
Bisweilen aber durchziehen Geschlechterstereotype auch
das Sprechen der Frauen selbst. Dann schafft Jordan den Kontrast durch
den Schnitt. Feuer sei "wie ein Tier", sagt eine Feuerwehrfrau,
und kontrastierend entgegnet eine andere: "Das ist so etwas,
was Männer sagen: ,zähmen', ,erobern' - ich will einfach
helfen, es zu löschen."
"Some Real Heat" lässt die Frauen erzählen.
Eine der eindruckvollsten Szenen in Jordans Dokumentarfilm ist die,
in der Allison von "ihrem ersten Feuer" erzählt; mit
Stimme und Gestik lässt sie das Feuer noch einmal entstehen,
bis hin zu den Soundeffekten. Außerdem, auch das erzählt
Allison, ist vom Feuer, kommt man ihm nahe, fast nichts zu sehen.
Ein rauchgefüllter Raum ist schwarz wie die Nacht, und das Feuer
bloß ein orangefarbenes Glühen.
Stefanie Jordan bekam für "Some Real Heat"
den nach Juliane Bartels benannten Niedersächsischen Frauenmedienpreis.
Das freut sie sehr, schließlich geht es ja auch um die Darstellung
von Frauen. Dennoch sei "Some Real Heat" nicht nur ein "Frauenfilm",
wenn er auch bei der Förderung fast immer als solcher wahrgenommen
wurde. Das ärgert sie: "Wenn ich einen Film über sechs
Feuerwehrmänner machen würde, wäre es ja auch kein
Männerthema." Frauen würden eben immer noch zuerst
über ihr Geschlecht wahrgenommen, meint Jordan. Das mache ihre
Dokumentation zum feministischen Film, wenn auch unfreiwillig. Dabei
hat sie "kein Problem damit, einen feministischen Film zu machen"
- wohl aber mit der Situation, die ihn zu einem solchen macht. "Ich
würde ihn nicht feministisch nennen, wenn die Situation eine
andere wäre." Allerdings ist es die Frauenförderung,
die als Künstlerinnenförderung den meisten Filmemacherinnen
ihre Arbeit überhaupt ermöglicht. Die Regionalförderung
greife meist nicht, das Filmboard sei für die, die nicht im kommerzieller
Rahmen produzierten, keine Option: "Es gibt einen Mythos und
es gibt die Realität." Und dann: "Ich werde natürlich
trotzdem weiter Filme machen." Der nächste, das steht fest,
wird ein dokumentarischer Trickfilm sein.